Genau drei Wochen nach dem Start in Köln haben wir Spanien erreicht. Der eine oder andere mag nun denken: “Was zum Henker ist denn da los? Die Strecke fahre ich an einem Tag.” Nun ja, wir haben schließlich keine Eile. Und unser Weg ist das Ziel. Ganz anders war es, als ich etwa neun Jahre alt war und mein alter Herr uns in unserem silbernen Ford Taunus mit Höchstgeschwindigkeit von Bergisch Gladbach in meine Geburtsstadt Grudziądz in Polen katapultierte. 1.000 Kilometer in elf Stunden – damals noch mit Grenzkontrolle. Diesen Stress machen wir uns nicht.
Aber: Es sind nicht nur wir und unsere Entscheidungen, die das entschleunigte Reisen durch Europa beeinflussen. Es spielen mehrere Faktoren eine Rolle.
Nummer eins: unser Oldtimer. Der Mitsubishi L300 hat gerade einmal 65 PS. 110 km/h schafft er schon mal. Bergab, mit Rückenwind. Geht es jedoch steil hoch, überholen uns LKW, Reisebusse und Mädchen auf Rollschuhen. Mit 60 km/h über die Autobahn – wie zu Henry Fords Zeiten. Hinzu kommt der 40 Liter fassende Tank. Bei einem Verbrauch von etwa 12 Liter auf 100 Kilometer müssen wir entsprechend oft halten und Benzin auffüllen.
Nummer zwei: unser Sohn, Tünn. Wir versuchen immer dann zu fahren, wenn unser Junge müde ist. Dann kann er – so jedes Mal unsere Hoffnung – schön im Kindersitz schlafen. Das erspart viele sich immer wieder wiederholende Kinder- und Karnevalslieder. Doch auch die längste Schlafphase wird irgendwann von einer vollen Windel, Hunger oder Durst unterbrochen. Und dann ist es auch schon wieder Zeit, mit unserem Hund Spikey Gassi zu gehen.
San Sebastián – die unbegründete Furcht
Nun sind wir aber in Spanien angekommen. San Sebastián ist die erste Stadt, in der wir aus unserem Hymercamp aussteigen. Doch dieser Ausstiegsprozess gestaltete sich sehr zäh. Melli hat in der App “park4night“, in der wir täglich nach Park- und Stellplätzen für Tag und Nacht suchen, gelesen. Kommentare anderer Nutzer dieser App. Und die schreiben geradezu fürchterliche Sachen. Es soll in dieser schönen Stadt Menschen geben, die Wohnmobile aufbrechen und Wertgegenstände entführen. Langfingrige Gauner mit Sonnenbrillen, die herumschleichen, warten und in dem Moment diebern, in dem du dein Eis am Strand aus der Waffel schleckst! Zunächst wollte ich es nicht glauben. Doch je mehr Kommentare Melli vorlas, um so mehr Sachen packte ich in meinen gedanklichen Koffer. Eine viertel Stunde nachdem wir auf dem Parkplatz angekommen sind, verließen wir unser fahrendes Zuhause gen Strand und Stadt. Mit zwei Rücksäcken, Kameratasche, Kinderwagen und Tünn. Spikey ließen wir schlafend zurück im Wohnmobil. Als Geheimwaffe!
San Sebastián ist voll mit kleinen Bars. Bereits von draußen sieht man die mit Tapas voll gestapelten Theken und unzählige Menschen, die sich während der Siesta biertrinkend an den Häppchen zu schaffen machen. Wir schlendern durch die Gassen, trinken Kaffee in einem kleinen Lokal und machen uns dann auf den Rückweg zu unserem Wohnmobil. Dort angekommen stellen wir fest, dass die Panikmache unbegründet war. Ob es an Spikey lag? Oder an unserem Oldtimer, der nicht wirklich auf wertvolle Gegenstände im Inneren schließen lässt? Vielleicht aber hatten die bebrillten Gauner auch Siesta. Man weiß es nicht.
Der traumhafte Ausblick am alten Holzwerk
Wir steigen in unsere Wohnung und fahren weiter. Nach Lekeitio. Etwa 70 Kilometer weiter. Ein kleines Dorf an einer Felsküste. In einem kleinen Lokal an einem Leuchtturm wollen wir uns den Sonnenuntergang ansehen und ein Bier trinken. Dort angekommen finden wir aber nur einen Zettel an der Tür, auf dem auf baskisch steht, dass das Ding an dem Tag geschlossen ist. Nun gut. Bier haben wir noch im Kühlschrank. Und der Sonnenuntergang kommt auch, wenn der Wirt heute keine Lust hat den Zapfhahn zu bedienen.
Unsere Nacht verbrachten wir an einem vor sieben Jahren geschlossenen Holzwerk am Rande des Dorfes. Den Sonnenuntergang an der felsigen Küste dahinter ließen wir uns nicht entgehen. Doch nur eine Stunde zuvor hatten wir die Befürchtung, dass nicht nur der baskische Bierausschänker Ruhetag hat, sondern auch der Sonnenuntergang. Starkregen, Hagel und Sicht unter 50 Meter ließen uns daran Zweifeln, irgendetwas davon mitzubekommen, wie die blutrote Sonne ins Meer eintaucht. Doch: nach dem Regen kommt Sonne.
Ein Gedanke zu „Aurevoir und Hola“
Da habe ich mir heute in meiner Mittagspause deinen Bericht durchgelesen und es kam richtig Fernweh auf….was soll ich sagen ich hatte schon den Geruch von Meer in der Nase. Letztendlich habe ich dann einstweilen versonnen aus meinem Bürofenster geschaut und auf die markanten Türme der hiesigen Kathedrale geblickt. Ich freue mich schon auf die nächsten Berichte.