Mit dem Wohnmobil durch Europa. Nicht nur zwei Wochen und zurück, sondern richtig und lang. Ein schöner Traum, der – dank Elternzeit – zum Greifen nah schien. Und dadurch wohl auch einfacher umzusetzen wäre, als je zuvor oder irgendwann in der Zukunft. Als klar wurde, dass ich und mein liebes Fräulein Melanie zwei Monate Elternzeit in Vollzeit hinbekommen und noch einen Monat Urlaub dranhängen können (bei ihr ist es aufgrund ihrer Selbstständigkeit nicht so einfach), fingen wir an, herumzuspinnen. Wo könnte die Reise hingehen? Was brauchen wir dafür? Klappt das mit einem einjährigen Kind? Und wie würden ein zwölf Jahre alter Hund und unser 35 Jahre altes Wohnmobil einen solchen Trip überstehen? Wir haben die 90-tägige Reise über ein halbes Jahr geplant, doch einen genauen Plan haben wir nicht. Der Weg soll unser Ziel sein. Wir wollen dahin, wo es warm ist. Und: Bis ans Meer.
Für die Reisevorbereitungen hatten wir viel Zeit. Unser Mitsubishi L300 mit Hymer-Aufbau ist für sein Alter eigentlich in einem guten Zustand. Etwas klein – vor allem im Vergleich zu neuen Wohnmobilen, die eher Schulbussen gleichen und so viel kosten, wie ein Haus am Rande Kölns. Aber unser kleiner Japaner mit deutschem Aufbau ist mit allem ausgestattet, was man zum Leben braucht. Ein Bett im Alkoven, ein zweites im hinteren Bereich, wenn man den Arbeits-, Ess- und Entspannungsplatz umbaut, Küche mit zwei Gaskochern, Kühlschrank mit kleinem Gefrierfach, Heizung, Klo und Dusche sowie überraschend viel Stauraum für unseren Kram. Und: 65 PS.
Was fehlte, war eine Solaranlage mitsamt großem Akku und Wechselrichter für etwas mehr autarkes Leben, eine Dachbox für Teile wie einen faltbaren Kinderwagen und hier und da einige Verschönerungsarbeiten. Melli hat zum Beispiel neue Bezüge für die Polsterbänke genäht, meine Tante machte uns ein paar neue Vorhänge und ich verlegte einen neuen Boden.
Im Laufe der Zeit las ich so viel über Solaranlagen, dass ich heute wohl ohne weiteres die Gesellenprüfung zum Solaranlageninstallateur bestehen dürfte. Mit meinem Arbeitskollegen und langjährigen Freund Michael (alias Bütti, Fränki oder Kulb – wieso hat dieser Mann eigentlich so viele Namen?!) brachte ich das Solarpanel aufs Dach und die Elektronik und Elektrik in den Hymer. An einem Tag war alles erledigt. An einem weiteren war die Dachbox auf dem Wohnmobil. Was aufgrund meiner Schusseligkeit ne schwere Geburt war. Aber das ist eine andere Geschichte.
Vorhang auf und Bühne frei
2. April: es geht los. Drei Monate Europa. Unser erster Halt soll das knapp 300 Kilometer entfernte Brügge sein. Und bereits am ersten Tag wurde uns klar, dass die Planung ohne Plan eine gute Idee war.